Vergabe im Gesundheitswesen  
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Ausschreibung der ärztlichen Leistungen

1. Hausarztzentrierte Versorgung § 73b SGB V
Die gesetzliche Regelung zur hausarztzentrierten Versorgung sieht in § 73b SGB V vor, dass Krankenkassen diese obligatorisch ihren Versicherten anbieten müssen -  dafür können sie aber auch Mehrwerte und Zusatzleistungen sowie Sondertarife, Bonusanreize und Zuzahlungsbefreiungen anbieten (Zu den Einzelheiten der hausarztzentrierten Versorgung siehe Der Kassenarzt-Berater 05/2007). Gesetzlich ist eine Ausschreibung bei der hausarztzentrierten Versorgung vorgesehen :

§ 73b Abs.4 SGB V
„Ein Anspruch auf Vertragsschluss besteht nicht. Die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien öffentlich auszuschreiben.“

Allerdings wird in der jüngsten Vergangenheit mit dieser Regelung in unterschiedlichen Bundesländern verschieden umgegangen. So wurde beispielsweise in Baden-Württemberg Ende 2007 die hausarztzentrierte Versorgung von der AOK erstmals ausgeschrieben – Medi und der Hausärzteverband Baden-Württemberg bekamen daraufhin den Zuschlag. In Berlin hingegen schloß die AOK Berlin und IKK Berlin mit der HÄV e.G. ebenfalls einen hausarztzentrierten Vertrag – allerdings ohne Ausschreibung (es ist fraglich, ob die HÄV e.G. hierzu überhaupt von den Mitglieder des Berliner Hausärzteverbandes legitimiert worden ist). Mangels Ausschreibung wäre der Vertrag jedoch weiterhin angreifbar, wenn nicht die engen Fristen zur Rüge (siehe am Ende) wohl verfallen sind.

Die Krankenkassen haben im Rahmen der Ausgestaltung der hausarztzentrierten Versorgung und der Ausschreibungsinhalte einen weiten Spielraum. Die ausgeschriebenen Leistungen können damit weit über das Maß der üblichen hausärztlichen Versorgung hinausgehen – dies gilt aber auch für die Vergütung (theoretisch). Hier bietet sich für Vertragsärzte und Krankenkassen ein weites Feld von Möglichkeiten, die durch Ausschreibungen zum Wohle der Versorgung ausgestaltet werden können.

Henne oder Ei – wer bestimmt die Inhalte der Versorgung?
Obwohl die Krankenkasse diejenige ist, die die Leistungen ausschreibt und damit auch definiert, befinden sich Ärzte damit keineswegs automatisch in einer passiven Rolle. Im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung sind folgende Ziele umzusetzen:

Ausschreibung von ärztlichen Leistungen 

Die Ausschreibungsinhalte der Krankenkassen müssen diese gesetzlich vorgegebenen Regelungen beinhalten, können aber auch darüber hinaus gehen. Außerdem sind Inhalte der Punkte 1 bis 4 auch ausgestaltungsbedürftig und müssen von den Bietern entsprechend aussagekräftig angeboten werden.

Aktive Rolle der Ärzte bei Ausschreibungen
Folglich können Ärzte bei der hausarztzentrierten Versorgung eine aktive Rolle spielen, indem sie die Ausschreibungsinhalte konkretisieren. Da Vertragsärzte diejenigen sind, die die Versorgung letztlich anbieten und umsetzen werden, können sie auch am besten definieren, wie die Umsetzung im Detail zu erfolgen hat und welche Leistungsinhalte der Versorgung medizinisch sinnvoll sind. Insoweit ist es vorteilhaft, Leistungsinhalte zu definieren und an Ausschreibungen teilzunehmen. Denkbar ist auch, dass sich Ärzte (am besten in einem Verbund) zusammenschließen und im Rahmen einer Bietergemeinschaft eruieren, welche Leistungen sie anbieten können und wollen und zu welchem Preis.

Wer erhält den Zuschlag – der Billigste?
Der Grundsatz des Vergaberechts lautet, dass der „wirtschaftlich Günstigste“ Anbieter den Zuschlag erhalten soll. Das bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass immer der günstigste Preis entscheidet, da auch die Gewährleistung der Erbringbarkeit der Leistung und der Qualität für den angebotenen niedrigen Preis zu einem wirtschaftlichen Angebot führen kann, auch wenn es nicht das billigste ist. Dieses Überprüfungskriterium wirkt sich direkt auf die Qualität der Leistungserbringung für die Patienten aus und ist ein wesentliches Kriterium für die Erteilung eines Zuschlags im Ausschreibungsverfahren.

2. Besondere ambulante Versorgung § 73c SGB V
Ähnlich wie bei der hausarztzentrierten Versorgung können Krankenkassen mit Ärzten, deren Gemeinschaften, Trägern von ambulanten Einrichtungen sowie der KV (falls diese dazu ermächtigt worden ist) Direktverträge für die besondere ambulante ärztliche Versorgung abschließen (Zu den Einzelheiten der hausarztzentrierten Versorgung siehe Der Kassenarzt-Berater 05/2007). Auch hier ist gesetzlich normiert:


§ 73c Abs.4 S.4 SGB V
Ein Anspruch auf Vertragsschluss besteht nicht. Die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien öffentlich auszuschreiben.

Die erste Ausschreibung dieser Art erfolgte im Herbst 2007 in Kassel durch den VdAK. Hier wurde die vollständige vertragsärztliche Versorgung in einer Region (Stadt und Landkreis) in Kassel ausgeschrieben. Bemerkenswert an dieser Ausschreibung waren die Mehrwertleistungen, die Ausschreibungsbestandteil waren und die die Bieter auch anbieten mussten. Dazu gehörten:

  1. Behandlungsgarantie innerhalb von 4 Tagen
  2. Sprechstunden am Samstag und
  3. Patientenmanagement mit einer konkreten Ansprechperson für jeden Patient

Bieter, die die letzten Kriterien nicht angeboten haben, konnten bei der Bewertung der Angebote nicht berücksichtigt werden. Letztlich erhielt ein MVZ in der Stadt Kassel mit einem Zweitsitz den Zuschlag. Die vollständige Sicherstellung der vertragsärztlichen Leistung kann allerdings von dem MVZ mit 16 Ärzten selbst wohl nicht erbracht werden, so dass dieses weitere Praxen einbinden muß. Dies ist allerdings nur dann rechtlich möglich, wenn es in der Ausschreibung vorgesehen ist, dass der den Zuschlag Erhaltende auch weitere „Subunternehmer“ in die Versorgung einbeziehen kann. Werden damit weitere Praxen in die vertragsärztliche Versorgung eingebunden, werden diese Leistungen (vergaberechtlich) nicht direkt gegenüber der Krankenkasse sondern gegenüber dem „Generalunternehmer“ MVZ erbracht. Dies ist für die vertragärztliche Versorgung untypisch und löst vor allem Haftungsrisiken aus.

Haftungsfragen der „Subunternehmerschaft“
Werden Leistungen in dem Kasseler Beispiel von Praxen als „Subunternehmer“ erbracht, die im Rahmen der Ausschreibung nicht Teil der Bietergemeinschaft waren, sondern welche nachträglich hinzugezogen worden sind (vergaberechtlich ist dies im übrigen zweifelhaft), schulden die nachrangigen Praxen die vertragsärztliche Leistung nicht direkt gegenüber der Krankenkasse, sondern gegenüber dem MVZ als Vertragspartner der Ausschreibung. Dies hat zur Folge, dass das MVZ gegenüber der Krankenkasse die Erbringung der vertragsärztlichen Versorgung durch „seine Subunternehmer-Praxen“ schuldet. Damit muß das MVZ alle Kriterien der Leistungsebringung außerhalb seiner Leistungsstruktur in den fremden Praxen sicherstellen und auch kontrollieren können – inwieweit dies hier erfolgreich umgesetzt worden ist, kann nicht beurteilt werden.

Da MVZ und „Subunternehmer-Praxen“ die Leistungen gegenüber der Krankenkasse gemeinsam schulden und der Sicherstellungsauftrag von der Krankenkasse an das MVZ und dessen Subunternehmer weitergereicht wird, ist allerdings auch anzunehmen, dass MVZ und Subunternehmer-Praxen gegenüber Patienten dieser Versorgung gesamtschuldnerisch haften. Dies sei wohl überlegt und sollte von vornherein im Rahmen der Ausschreibung im Außenverhältnis gegenüber der Krankenkasse, aber auch gegenüber dem Patienten vertraglich eingeschränkt werden, soweit dies möglich ist. Im Innenverhältnis empfiehlt sich ebenfalls eine klare Haftungsfreistellungsregelung zwischen den Leistungserbringern („General- und Subunternehmer“).

3. Ausschreibungen bei der Integrierten Versorgung § 140a ff. SGB V

Die bisherigen Verträge der Integrierten Versorgung sind sehr uneinheitlich abgeschlossen worden. Teilweise werden sie sogar explizit unter Verschluß gehalten – die Transparenz der Vereinbarungen ist damit gegenwärtig selten gegeben. Das GKV-WSK hingegen hat einige Neuerungen in der Integrierten Versorgung gebracht. So ist beispielsweise die Pflege im Sinne der Pflegekassen und –einrichtungen berechtigt, an der Integrierten Versorgung teilzunehmen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, eine „bevölkerungsbezogene Flächendeckung der Versorgung“ anzustreben.

Eine Ausschreibungspflicht ist nicht explizit im Gesetzeswortlaut enthalten. Grundsätzlich wird zwischen zwei wesentlichen Systemunterschieden in der Integrierten Versorgung  unterschieden werden müssen:

„Exklusivsysteme“ und „Beitrittssysteme“.

Exklusivsystem
Schließt die Krankenkasse einen Exklusiv-Vertrag mit einem oder mehreren Leistungserbringer und werden damit weitere Wettbewerber durch diesen Exklusivvertrag von der Teilnahme an der Leistungserbringung ausgeschlossen, liegt eine Ausschreibungspflicht vor. So hat beispiesweise die AOK Bayern mit dem Münchner „Gamma-Knife-Zentrum“ einen Exklusiv-Vertrag geschlossen. Dieser Vertrag schließt die Inanspruchnahme von Leistungen an anderen Orten aus – mithin sind die Wettbewerber benachteiligt. Schließt ein öffentlicher Auftraggeber (hier also die Krankenkasse) einen solchen Vertrag ohne Ausschreibung, ist der Vertrag durch die Konkurrenten angreifbar.

Beitrittssystem
Handelt es sich hingegen bei dem betreffenden Vertrag zur Integrierten Versorgung um einen „offenen Vertrag“, bei dem weitere Leistungserbringer dem Vertrag beitreten können, wird gerade kein Wettbewerb ausgeschlossen. Damit entfällt wohl auch das Vergaberecht und die damit verbundene Ausschreibungspflicht.

Rahmenvertrag mit Managementgesellschaft
Es empfiehlt sich gerade für die Beitrittssysteme der Integrierten Versorgung einen Rahmenvertrag zwischen der Krankenkasse und einer Managementgesellschaft abzuschließen. Durch diesen Rahmenvertrag können dann die entsprechenden Leistungserbringer dem Vertrag zur Integrierten Versorgung beitreten.

Ausschreibung wegen Anschubfinanzierung?
Auch für die Anschubfinanzierung gilt dasselbe: Liegt ein Vertrag zu Integrierten Versorgung als Exklusivsystem mit Anschubfinanzierung vor, unterliegt der gesamte Vertrag (inklusive Anschubfinanzierung) der Ausschreibungspflicht. Hingegen partizipieren alle Beteiligten eines offenen Beitrittssystems an einer Anschubfinanzierung und es werden keine potentiellen Wettbewerber ausgeschlossen.

Schwellenwertberechnung bei Integrierter Versorgung
Der Schwellenwert für die Frage, ab wann ausgeschrieben werden muß, berechnet sich nach dem Vertragsvolumen. In der Integrierten Versorgung ist dies schwierig zu ermessen, jedoch basieren die meisten Verträge im Rahmen ihres Volumens auf „Optionsvolumina“, d.h. auf eine antizipierten Maximalzahl von Leistungen, die im Rahmen des Vertrages (jährlich und über die gesamte Laufzeit hinweg) erbracht werden. Dies ist die Berechnungsgrundlage für den Schwellenwert des Vertrages.

Im Ergebnis muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass hinsichtlich der Vertragsform zur Integrierten Versorgung noch einige Fragen offen sind. Werden von Anbietern besondere Konzepte entwickelt, die eine eigene Idee darstellen, ist derzeit noch unklar, ob Krankenkassen diese ohne weiteres beauftragen können.

 

 

 

 
 

 

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