Vergabe im Gesundheitswesen  
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Bedeutung der Ausschreibungen im Gesundheitswesen

Wann immer in einer Branche Wettbewerb Einzug hält, sieht das europäische Recht vor, die Chancengleichheit der Anbieter zu schützen. Spielt dann noch die öffentliche Hand eine bedeutende Rolle, indem gerade sie Aufträge vergibt, müssen diese Aufträge ausgeschrieben werden. Das kennt man insbesondere, wenn es darum geht, dass Kommunen beispielsweise Bau- oder Dienstleistungen einkaufen.

Seit 2004 existieren verschiedene Direktverträge im SGB V. Das GKV-WSG (Wettbewerbsstärkungsgesetz) hat zudem dazu beigetragen, dass die Möglichkeiten der direkten Vertragsschlüsse mit Krankenkassen erheblich erweitert worden sind. 2007 fanden nun auch schon die ersten Ausschreibungen hinsichtlich der vertragsärztlichen und der hausärztlichen Versorgung statt. Darüber hinaus tobte der Streit um die Ausschreibungspflicht bei Rabattverträgen – diverse Gerichte und Vergabekammern waren involviert und stritten um Zuständigkeiten. Dabei kristallisieren sich grundsätzliche zwei Lager heraus: die einen befürworten die Zuständigkeit der bisherigen Vergabekammern, welche in der Regel an den Zivilgerichten angesiedelt sind. Die anderen favorisieren die Zuständigkeit der Sozialgerichte. In beiden Fällen gibt es im Hinblick auf das Gesundheitswesen Defizite: an den Sozialgerichten besteht derzeit noch keine Kompetenz für das Vergaberecht und an den Vergabekammern fehlen Kernkompetenzen im Gesundheitswesen. Das bedeutet, dass in den ersten 2-3 Jahren nach Einführung des Vergaberechts in das Gesundheitswesen eine Phase der Orientierung entsteht und sich erst nach und nach Rechtsicherheit einstellen wird.

Für Vertragsärzte wird es daher wichtig sein, die Entwicklung der Ausschreibungen möglichst früh mitzugestalten, um eine aktive Rolle in der Gestaltung der Leistungserbringung einzunehmen. Sie werden diejenigen sein, die sich auf Ausschreibungen bewerben und entsprechende Angebote abgeben werden, um Direktverträge abzuschließen. Dies wird nur in Gemeinschaften erfolgreich funktionieren – das können Arztnetze, sektorenübergreifende Strukturen, Genossenschaften oder Verbände sein. Wichtig wird es sein, im Vorfeld qualitativ hochwertige medizinische Versorgungsstrukturen zu konzipieren und bei den Krankenkassen als Ausschreibungsstellen die Bereitschaft zu wecken, sich mit diesen Strukturen vor der eigentlichen Ausschreibung auseinanderzusetzen. Denn es sollten die Ärzte als Leistungserbringer diejenigen sein, welche aktiv das medizinische Know-How bündeln und in Angebote gießen, um nicht Gefahr zu laufen, dass die Krankenkassen qualitativ minderwertige Leistungen und Strukturen ausschreiben, die der Versorgung einerseits und der Vergütung andererseits Schaden zufügen.

Ausschreibungen bergen die große Chance in sich, dass eine versorgungs- und qualitätsbezogene Vergütung direkt mit den Krankenkassen vereinbart wird. Sie bergen aber auch die Gefahr in sich, dass sie zu einem Preisverfall der Leistungen und damit einem Qualitätsverlust in der Versorgung führen.

I. Bedeutung der Ausschreibungen für Ärzte und Patienten
In der Vergangenheit sind viele Verträge mit Krankenkassen hinter verschlossenen Türen verhandelt und abgeschlossen worden. 2007 stellte sich sogar heraus, dass die AOK mit Pharmaunternehmen Rabattverträge abgeschlossen hat, bei deren Offenlegung der Vertragspartei eine saftige Vertragsstrafe drohte. Dies spiegelt die Intransparenz der Verträge der Vergangenheit wider – das Vergaberecht beseitigt diesen Zustand. Denn Ausschreibungen dienen dazu, dass sie öffentlich dem Wettbewerb eine gleiche Chance der Beteiligung bietet, aber auch dass die Vergabe von öffentlichen Aufträgen der rechtlichen Überprüfung unterliegen. Gerade dieser letzte Punkt ist im Gesundheitswesen neu und für viele Beteiligte gewöhnungsbedürftig.


Grundsätze des Vergaberechts
  1. Wettbewerbsprinzip
  2. Teilnahme möglichste vieler Unternehmen am Vergabeverfahren
  3. Transparenzprinzip und Publizität (Veröffentlichungen)
  4. Grundsatz transparenter Vergabeverfahren
  5. Keine Absprachen, faire Wettbewerbsbedingungen
  6. Gleichbehandlungsprinzip
  7. Chancengleichheit der Bieter

II. Wann muß eigentlich ausgeschrieben werden?
Grundsätzlich muß immer dann eine Ausschreibung erfolgen, wenn die „öffentliche Hand“ – also Körperschaften des öffentlichen Rechts – Leistungen und Produkte einkaufen. Werden Leistungen und Produkte unter einem Auftragswert von 206.000 € eingekauft, müssen in der Regel nationale Ausschreibungen (z.B. im Bundesanzeiger) erfolgen. Übersteigt hingegen der Wert der Ausschreibung 206.000 €, muß eine EU-weite Ausschreibung im EU-Amtsblatt erfolgen.

Es wird derzeit noch (akademisch) darum gestritten, ob Krankenkassen öfentliche Auftraggeber sind und daher ausschreiben müssen. Dafür gibt es sowohl seitens der Rechtsprechung als auch aufgrund des Gesetzeswortlauts im SGB V viele gute Gründe, warum dies der Fall ist. Die EU-Kommission hat bereits am 17.10.2007 ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wegen des Verstoßes gegen europäisches Vergaberecht, da Krankenkassen viele Verträge nicht ausgeschrieben haben. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes ist noch 2008 zu erwarten.

Wichtiger ist jedoch für Ärzte und Krankenhäuser sowie andere an der vertragsärztlichen Versorgung Teilnehmende zu wissen, welche Leistungen und Lieferungen denn nun ausgeschrieben werden sollen. Dies wird nachfolgend dargestellt, indem zwischen dem Einkauf von Lieferungen (pharmazeutischen Produkten und Hilfsmitteln) und Leistungen (Versorgungsstrukturen) unterschieden wird.

 

 

 

 

 
 

 

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