Vergabe im Gesundheitswesen  
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Ausschreibung von Arzneimitteln und Hilfsmitteln

1. Einkauf von Arzneimitteln
Im Jahr 2007 kam es bereits zu einer Vielzahl von Rabattverträgen zwischen den Krankenkassen und der pharmazeutischen Industrie, insbesondere mit Generika-Herstellern. Am 11.12.2007  hat nunmehr das Bundessozialgericht entschieden, dass Rechtsfragen im Zusammenhang mit Arzneimittelrabatten vor den Sozialgerichten zu klären sind. Es stellt jedoch auch klar, dass Rabattverträge grundsätzlich ausschreibungspflichtig sind. In § 130a SGB V ist geregelt, dass Krankenkassen grundsätzlich Rabattverträge mit der pharmazeutischen Industrie abschließen können, hingegen fehlt eine klare Regelung zur Ausschreibungspflicht.

Kaufen nunmehr Krankenkassen über den Weg der Rabattverträge Arzneimittel für ihre Mitglieder und deren Arzneitherapien ein, so liegt der Wert des Vertrages nahezu immer über 206.000 € und muß europaweit ausgeschrieben werden.

Die Berechnung des Wertes ist eine Vollkostenkalkulation, bei der die Gesamtsumme der Kosten im Hinblick auf die Gesamtlaufzeit und den Gesamtumfang der Lieferung gerechnet wird. Der Vertrag kann auch nicht in Einzelleistungen aufgeteilt werden, um damit beispielsweise die Ausschreibungspflicht zu unterlaufen – dies wäre rechtswidrig. Wird also beispielsweise ein Vertrag über 3 Jahre mit einem Jahresvolumen von 150.000 € geschlossen, so beläuft sich die Gesamtsumme des Vertrages auf 450.000 € und unterliegt der Ausschreibungspflicht.

In vielen Fälle – insbesondere 2007 – wurde eine Ausschreibung der Rabattverträge nicht vorgenommen. Diese Verträge sind grundsätzlich anfechtbar. Es ist davon auszugehen, dass ein Vertrag, der gegen das Vergaberecht verstößt, als unwirksam betrachtet wird. Der EuGH hat (in einer anderen Vergabesache) entschieden, dass die erbrachten Leistungen rückabgewickelt werden müssen. Das lässt die Konsequenz aus einem nicht ausgeschriebenen Rabattvertrag nur vermuten: Da die Leistungen (an den Patienten ausgegebene Arzneimittel) nicht mehr zurück gewährt werden können, wird der Vertrag wohl nur ab dem Zeitpunkt der Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages unwirksam sein – nicht für die Vergangenheit.

Bedeutung für Vertragsärzte
Kassenärzte, die aus dem Rabattvertrag verordnet haben, müssen ab der Feststellung der Unwirksamkeit eines nicht ausgeschriebenen Rabattvertrages wohl nicht befürchten, dass die Verordnungen der Vergangenheit zum vollen Marktpreis und nicht zum Rabattpreis erfolgt sind – für sie ändert sich nichts. Das Pharmaunternehmen kann wohl auch nicht rückwirkend den vollen Preis verlangen, da die Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages nicht rückwirkend erfolgen wird. Es besteht allerdings für Pharmaunternehmen das Risiko, dass ihre Kalkulation auf einer längeren Laufzeit des Vertrages basiert und sich beispielsweise erst nach 1 Jahr Laufzeit zu amortisieren beginnt. Wird nun der Vertrag bereits nach einem halben Jahr als unwirksam festgestellt, wird die Kalkulation für die Zukunft nicht aufgehen.

Bietergemeinschaften
Werden nun Rabattverträge ausgeschrieben und möchten Unternehmen auf diese Ausschreibungen bieten, können sie sich auch zu sogenannten Bietergemeinschaften zusammenschließen. Dies ist beispielsweise dann sinnvoll, wenn eine Krankenkasse eine Vielzahl von Arzneimitteln ausschreibt, ein Unternehmen allein diese Palette jedoch nicht abdeckt und sich somit mit einem anderen Unternehmen Zwecks gemeinsamer Teilnahme an der Ausschreibung zusammenschließt. Diese Variante kann auch für die von einigen Ärztegenossenschaften geführten Generika-Unternehmen eine interessante Möglichkeit der Beteiligung an Arzneimittel-Ausschreibungen darstellen. In diesen Fällen sollten sie aber im Vorfeld exakt im Innenverhältnis klären, wer welche Leistungen zu welchen Konditionen erbringt und wie die Einnahmen im Innenverhältnis aufzuteilen sind, sollte die Bietergemeinschaft den Zuschlag für die Lieferung erhalten.

2. Hilfsmittelausschreibung

a. Einschränkung der Therapiefreiheit durch Ausschreibungen
Die Ausschreibungspflicht für Hilfsmittel ist gesetzlich in § 127 SGB V normiert. Grundsätzlich hat der Versicherte gemäß § 33 Abs. 1 SGB V einen Anspruch auf notwenige Hilfsmittel, sowie auf Dienstleistungen, die eine Änderung, Instandsetzung oder Ersatzbeschaffung, sowie Ausbildung in ihrem Gebrauch beinhalten. Alles über das Maß des Notwendigen Hinausgehende hat der Kassenpatient grundsätzlich selbst zu tragen. Die durch das GKV-WSK neu eingeführte Einschränkung der Therapiefreiheit besteht allerdings in § 33 Abs. 6 SGB V: Hat die Krankenkasse über eine Ausschreibung einen Vertragspartner für die Versorgung von Hilfsmitteln bestimmt, erfolgt die Hilfsmittelversorgung ausschließlich durch diesen Vertragspartner.

Diese Regelung schränkt die Therapiefreiheit des verordnenden Arztes (wenn er nicht nur nach einer Hilfsmittelgruppe, sondern nach einem konkreten Hilfsmittel von einem bestimmten Hersteller verordnet) erheblich ein. Es bleibt abzuwarten, ob diese Regelung Bestand hat, da sie mit der Therapiefreiheit einerseits und dem Recht auf freie Therapiewahl des Versicherten kollidiert.

b. Ausschreibungspflicht bei „zweckmäßiger Versorgung“ mit Hilfsmitteln
Soweit die Versorgung von Patienten mit Hilfsmitteln „zweckmäßig“ ist, müssen die Krankenkassen diese Produkte ausschreiben (§ 127 Abs.1 SGB V). Gemeint sind damit insbesondere Hilfsmittel, die beispielsweise einem regelmäßigen Verbrauch unterliegen wie Inkontinenzprodukte, Blutzuckerteststreifen u.ä. Diese Produkte unterliegen einer Ausschreibungspflicht. Die Bieter müssen die Voraussetzungen des § 126 Abs.1 SGB V (Zulassung als Hilfsmittelerbringer, jedoch in einfacher Form als früher) erfüllen – ab 2008 können dies im übrigen auch Ärzte sein, wenn sie die Qualifikationen nachweisen. Allerdings sollte darauf geachtet werden, dass diese Tätigkeit aus berufsrechtlichen und steuerlichen Gründen von der Praxistätigkeit klar getrennt wird.

Verordnet nun beispielsweise ein Hausarzt einem AOK-Patienten Inkontinenzprodukte, so hat die AOK den Versicherten auf einen bestimmten Anbieter hinzuweisen, bei dem die Hilfsmittel zu beziehen sind. Der Patient ist in diesem Fall verpflichtet, die Produkte bei diesem Anbieter zu beziehen – tut er dies nicht, werden die Kosten für die Hilfsmittel nicht erstattet.

c. „Nicht zweckmäßige“ Versorgungen
§ 127 Abs. 2 SGB V regelt nunmehr, dass Krankenkassen Rahmenverträge mit Hilfsmittelherstellern und –anbietern für Produkte schließen sollen, die nicht „zweckmäßig“ sind. Leider gibt das Gesetz keine konkrete Definition dafür her, was unter „nicht zweckmäßig“ und „zweckmäßig“ zu verstehen ist. Der Stellungnahme der Spitzenverbände der Krankenkassen ist zu entnehmen, dass damit insbesondere Hilfsmittel gemeint sind, die einen hohen Dienstleistungsanteil enthalten.

Damit dürften insbesondere orthopädische Hilfsmittel gemeint sein, wie zum Beispiel Orthesen oder Prothesen. Hier wäre der Dienstleistungsanteil der Anpassung beispielsweise durch einen Orthopädiemechaniker in Zusammenarbeit mit einem Orthopäden oder Hausarzt hoch. In diesen Fällen soll nunmehr nach dem Willen des Gesetzgebers keine öffentliche Ausschreibung erfolgen, sondern lediglich eine Direktvertrag zwischen Krankenkasse und Hilfsmittelhersteller möglich sein.

Tatsächlich aber verstößt diese Regelung wohl gegen geltendes Vergaberecht. Danach ist es unerheblich, ob einem Produkt ein Dienstleistungsanteil inne wohnt oder nicht – dieser Dienstleistungsanteil soll grundsätzlich Bestandteil einer Ausschreibung sein. So ist es möglich, den durchschnittlichen Aufwand der Dienstleistung bei der Herstellung und Anpassung einer Orthese zusätzlich zu bepreisen und in die Ausschreibung einfließen zu lassen.

Für Vertragsärzte bedeutet dies keine wesentliche Umstellung in der Hilfsmittelverordnung, auch dann nicht wenn ein Arzt nach Produktgruppen (7-stellige Verordnungsnummer) oder ein konkretes Produkt (10-stellige Verordnungsnummer) verschreibt.

Werden allerdings diese Hilfsmittel ebenfalls ausschreibungspflichtig, würde die Einschränkung nach § 33 Abs.6 SGB V greifen und die Therapiefreiheit eingeschränkt werden.

 

 

 

 
 

 

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